Reziprokes Lesen

Beim Reziproken Lesen geht es um das Lesen und das Leseverständnis von Lernenden. Eine gemeinschaftliche Arbeit am Text. Es beruht auf einer Studie aus den 1980er Jahren. Sie wurde von Palinscan und Brown an der Universität Illinois (vgl. Palinscan, 1984) gemacht und besteht aus vier Arbeitsteilen: predicting = Vorhersagen,  questioning = Fragen stellen, summarizing = Zusammenfassen vom Text and clarifying = schwierige Wörter klären. Es soll leseschwachen Schüler und Schülerinnen (SuS) helfen den Text zu verstehen. Dadurch können sich die Lernenden Techniken aneignen, die ihnen auch beim zukünftigen Lesen helfen Texte zu erschließen. Ist es auch für gute SuS geeignet?

Warum sollen auch gute Leser und Leserinnen eingebunden werden?

Nicht nur der Austausch in der Gruppe ist wichtig, sondern auch das Allgemeinwissen aller Teilnehmer wird gefördert. Denn nicht jeder weiß über alles bescheid. So kann jeder seinen Betrag leisten. Es findet eine Wertschätzung von schwachen und starken Schülern und Schülerinnen statt und fördert den Zusammenhalt in der Klasse und so weiter. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. Worauf bereitet es noch vor?

Das Reziproke Lesen bereitet unter anderem vor auf das Erarbeiten von Zusammenfassungen oder Textinterpretationen. Das sind Textsorten, die bei der Schriftlichen Reife- und Diplomprüfung (SRDP) abgeprüft werden. Damit möchte ich aufzeigen, dass es nicht nur für Leseschwache eine Hilfe ist, sondern auch für die ganze Klasse einen Mehrwert bedeutet. Denn das Klären von Bedeutungen und das Kurzfassen werden für sehr vieles benötigt. Zum Beispiel: Auch später im Beruf, etwas kurzfassen können und einem Plenum oder den Chef vortragen können, wird immer wichtiger. Jeder hat schon einmal erlebt, dass er etwas erzählen möchte und nicht wirklich auf den Punkt gebracht hat, was der Sinn dahinter ist. Man merkt es an den Blicken und an dem Verhalten der Umstehenden. Oder aus der Sicht eines Umstehenden denkt man sich: „Komm auf den Punkt; was willst du uns damit sagen?“.

Wie funktioniert es?

Der Lehrer, die Lehrerin bereitet die Station mit vier Aufgabenkarten vor und begleitet die Schüler und Schülerinnen (SuS). Das heißt die SuS arbeiten weitgehend alleine. Die Lehrperson steht selbstverständlich für Fragen zur Verfügung. Die Schüler und Schülerinnen arbeiten selbstständig mit den vorbereiteten Texten. Sie gehen abschnittsweise den vorgegebenen Text durch. Dabei bleibt es den SuS überlassen wann und wie sie welchen Teil erledigen. Das genaue Vorgehen wird im Beitrag: DaF Lesen und Hören beschrieben. Ein Leit-Text, auf dem die Anweisungen stehen, kann zur Verfügung gestellt werden. Diese Art des Unterrichts wird auch offener Unterricht genannt. Wie kann man sich das Vorstellen?

Der Ablauf

Eine Gruppe oder zwei Personen haben einen Text vor sich liegen.

Eine Person stellt eine Vorhersage auf anhand des Titels beispielsweise, also versucht zu erahnen, worum es im Textabschnitt gehen wird.

Alle beginnen leise jeder für sich zu lesen. Dann werden Fragen zum Text gestellt und schwierige Wörter im Plenum geklärt. Am Ende fasst eine weitere Person den Text zusammen und es wird weiter mit dem nächsten Abschnitt im selben System fortgefahren. Eine PDF Anleitung finden Sie hier.

Ich möchte zu diesem Aufgabenpool in der Gruppe oder Partnerarbeit noch das Hören des Textes einfügen.

Entweder in Form einer weiteren Person oder eine von zwei Person hört während des Lesens den Text. Man könnte auch jeder Person eine Hörmöglichkeit bieten. Diese Aufgabe einmal erstellt, lässt sich sehr einfach und rasch adapieren.

Viel Freude beim Ausprobieren!

PDF Anleitung

Literatur:

Leidig, Sina. Textbearbeitung durch reziprokes Lesen (Fach Deutsch, 7. Klasse Realschule). GRIN Verlag. München. 2015.

Schwetz, Herbert / Forstner-Ebhart, Angela / Swoboda, Birgit (Hg.). Hattie – der Weg zum Erfolg? Mythen und Fakten zu erfolgreichem Lernen. Facultas. WUV. Wien. 2013.

Le Pape Racine, Christine. Reziprokes Lehren (Reciprocal Teaching) in der L1, im Fremdsprachen- und im CLIL-EMILE-Unterricht, eine Anleitung für die Praxis. In: Lochtman Katja, Müller Heidy Margrit (Hg). Sprachlehrforschung. Festschrift für Prof. Dr. Madeline Lutjeharms. Fremdsprachen in Lehre und Forschung. AKS-Verlag. Bochum. 2009. S. 79-95.

Müller, Frank. Alltäglicher Umgang mit Heterogenität. Grundschule Methodenbuch Differenzierung. Debus Pädagogik. Schwallbach. 2014.

Sullivan Palincsan, Annemarie / Brown, Ann L. Reciprocal Teaching of Comprehension – Fostering and Comprehension – Monitoring Activites. Lawrence Erlbaum Ass. Inc. Illinois. 1984. S. 117 – 175.